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1721-debug-2-1

Unter einem strahlend blauen Himmel, streichelt ein starker Wind die Haut derjenigen, denen er begegnet.

Windkanäle erzeugten diese Stürme zwischen den Hochhäusern. Typischerweise verzogen Menschen, die durch die Straßen gingen, das Gesicht, kniffen die Augen zusammen oder hielten ihre Kleidung fest, um den Böen standzuhalten.

Jedoch, steht dort heute ein bebrillter kleiner Junge namens Winr, ein Mitglied des Debug-Teams. Sein mit goldenen Strähnen durchzogenes Haar flattert und er scheint die Brise zu genießen, die seine schlanke Gestalt wegzufegen droht.

Er findet Trost in der Brise, wahrscheinlich weil sie mit dem Rascheln der Natur verbunden ist. Winr denkt nach, während er in einem Gebiet von Lacuna steht, das als Invasive Forest City der Smaragdküste bekannt ist, einem Ort, der einer Erde ähnelt, auf der die Menschheit ausgestorben ist. Gebäude sind voller Pflanzen, ihre Wände sind mit Gras und Bäumen geschmückt, die im Wind flüstern.

Auch wenn man dies leicht als bloße virtuelle Realität abtun kann, erweckt der Anblick dieser allzu realistischen Ruinen ein Gefühl der Bedeutungslosigkeit der Menschheit und erzeugt eine ernüchternde Perspektive.

Winr ist etwas abseits des belebten zentralen Bereichs, der als Tutorial-Zone fungiert und in dem sich normalerweise viele Anfänger tummeln. Er bevorzugte die umliegende Ruhe dieser Gegend sehr.

„Sei vorsichtig, Winnie, du könntest weggeweht werden!“

Die Stille wird durch eine hohe Stimme, vermischt mit einem leisen Summen, unterbrochen, die sich hinter Winr nähert.

Es ist ein kleines Digimon, dessen Körper gelb mit dunkelbraunen Streifen ist, unverkennbar Bienenartig. Die abgerundeten Gliedmaßen und runden Augen verleihen dem Digimon die Niedlichkeit eines Plüschtiers, aber sein scharfer Stachel ist ein klares Zeichen dafür, dass seine Warnstreifen nicht nur zur Zierde da sind.

„Du musst Schutz suchen, wenn der Wind zu stark wird. Du bist schließlich so klein, Winnie.“

Das Digimon drückt aufrichtige Sorge aus, was dazu führt, dass Winr die Stirn runzelt und seine Brille zurechtrückte.

„Du bist derjenige, der sich nicht bewegen kann. Du musst dich hinter mir verstecken, FunBeemon.“

„Ich kann nichts dagegen tun. Ich werde schnell weggeweht und es würde dir schwerfallen, mich zu finden.“

FunBeemon summte etwas prahlerisch zurück, was Winr zum Seufzen brachte.

„Warum seufzt du? Wenn dir so langweilig ist, kann ich auch gehen“, beschwerte sich FunBeemon.

„Nein, du warst derjenige, der sagte, wir sollen hierherkommen, FunBeemon“, Winr zuckte mit den Schultern. Er war von seinem Partner hierher an die Smaragdküste geführt worden, ohne wirklich zu wissen, warum.

Doch bei seinen Worten legte FunBeemon verwirrt den Kopf schief.

„Nein, nein, das warst du, Winnie. Versuche nicht, mich als den Schuldigen hinzustellen.“

„…Häh?“

“…Was?”

Während sie sich verblüfft anstarrten, wehte der grün gefärbte Wind erneut an ihnen vorbei.


DEBUG.2-1 Winr


„Weil du heute ganz mürrisch und gedankenverloren aussiehst, Winnie!“

„Ja, das gebe ich zu. Und?“

„Und während ich dich beobachtet habe, hast du auf die Karte der Smaragdküste geschaut und vor dich hingemurmelt.“

„Vielleicht habe ich vor mir hingemurmelt oder auch nicht, aber ja, ich habe definitiv auf die Karte geschaut.“

„Also dachte ich, dass du sicherlich etwas Wichtiges an der Smaragdküste zu tun hast, also schlug ich vor, dass wir dorthin gehen.“

„Siehst du, du warst derjenige, der vorgeschlagen hat, dass wir hierherkommen.“

„Touché.“

Und so endet die bescheidene Debatte nach langem Hin und Her darüber, wer die Reise vorgeschlagen hat, mit dem Sieg von Winr.

„Aber, Winnie, dein Gesicht leuchtete auf, als ich es vorgeschlagen habe.“

Winr schüttelt den Kopf über FunBeemons Beharrlichkeit. Doch sein typisch, ausdrucksloses Gesicht, wirkte etwas sanfter.

„Nun, ich hatte auf jeden Fall darüber nachgedacht, hierherzukommen. Also vielen Dank, FunBeemon.“

FunBeemon ist ein sehr aufmerksames Digimon. Es kann die Wünsche und Absichten erkennen, die hinter den Worten und Handlungen anderer stecken, wie zum Beispiel das Extrahieren von Nektar aus einer Blume. Dann versucht es normalerweise proaktiv und freundlich zu helfen.

Für einen 11-jährigen Jungen wie Winr, der oft als schwierig und launisch angesehen wird, war die Kameradschaft mit FunBeemon manchmal eine erhebliche Erleichterung.

Seit er FunBeemon kennengelernt hatte, hat sich sein Leben erheblich verändert. Er ist etwas proaktiver geworden, wenn es darum geht, Kontakte zu anderen zu knüpfen, was er zuvor für ein vergebliches Unterfangen gehalten hatte.

Deshalb ist er immer dankbar. Die in Winrs Worten enthaltene Dankbarkeit veranlasste FunBeemon, der etwas verärgert gewirkt hatte, seine Unzufriedenheit zu verbergen und schüchtern mit den Antennen zu zucken.

„Also, woran hast du gedacht, Winnie?“

„Ich schätze, ich bin etwas voreilig gewesen“, dachte Winr, als er den Menübildschirm öffnete, damit FunBeemon ihn sehen konnte.

Also, das habe ich von Yuuki gehört…“

„Yuuki?“

Yuuki ist Mitglied desselben Debug-Teams wie Winr und seit dem Betatest sind die beiden befreundet. Sie ist eine seltene Verbündete und Freundin für Winr, der nicht viele hat.

Ihr Partner, das bissige Impmon, versteht sich gut mit dem rücksichtsvollen FunBeemon. Selbst ein Jahr nach dem Start des Dienstes finden sie oft Themen zum Reden.

Es war Yuuki, die ihn zuerst ansprach. Zunächst war Winr von ihrer fröhlichen und intensiven Persönlichkeit verwirrt und überwältigt, doch nach und nach begann er, seine Spieltipps und sein Wissen über Digimon mit ihr zu teilen.

Schließlich begann Yuuki, ihn Meister zu nennen, obwohl sie ähnlich viele Erfahrungen mit dem Digimon-Kartenspiel sammeln konnte. Sie ist zudem auch fast ein Jahrzehnt älter als er. Da Winr der Spitzname nichts ausmacht, hat er sie nie darum gebeten, ihn nicht mehr zu nutzen.

„Weißt du noch, was ich dir erzählt habe? Dass Yuuki diese seltsame Karte gefunden hat.“

FunBeemon nickte. Yuuki und Impmon erhielten eine unbekannte Digimon-Karte von einem abtrünnigen NPC und nutzten sie, um damit den Rückkampf zu gewinnen. Aufgrund seiner mysteriösen Natur weckte dies große Neugier bei ihren Teamkollegen.

„Yuuki war nach dem Sieg über diesen abtrünnigen NPC so aufgeregt, dass sie dummerweise beschloss, ihr Glück im Kampf des Hauptszenarios zu versuchen.“

Das Hauptszenario ist der Kerninhalt von Digimon Liberator, in dem Spieler durch Gespräche und Kämpfe mit NPCs eine Geschichte genießen können, die sich in ganz Lacuna abspielt.

Während es für Spieler, die sich ausschließlich auf PvP konzentrieren, unnötig ist, fühlen sich viele Spieler von der großen Erzählung um das Schicksal von Lacuna und den exklusiven Belohnungen aus Story-Missionen angezogen.

Das Debug-Team ist da keine Ausnahme. Kämpfe gegen abtrünnige NPCs können bei einer Niederlage das Risiko einer Datenbeschädigung mit sich bringen. Normalerweise wäre es leichtsinnig, sich sofort mit einem neuen, aus unbekannten Karten zusammengestellten Deck in eine solche Mission zu stürzen.

Es ist üblich, sein Deck anzupassen und die Fähigkeiten erst in der Hauptgeschichte und anderen Standardkämpfen zu testen.

Es scheint jedoch, dass Yuuki und Impmon genau das Gegenteil getan haben.

„Und so machte sie sich mit voller Energie auf den Weg zu den Ruinen der Smaragdküste …“

“Und dann?”

„Sie wurde vom Boss Tlalocmon völlig zerstört.“

“Oje.”

„Im Ernst, es war ein völliger Reinfall! Tlalocmon kam heraus, und gerade als wir versuchten, seine Auswirkungen zu verstehen, bam, bumm, dann kaboom! Es war alles vorbei!“

„Das hat sie gesagt, als Impmon sie wegzerrte, um ihr eine Standpauke zu halten“, erzählt Winr.

„Ich kann es mir vorstellen…“

Selbst aus Winrs kurzer Erklärung konnte man sich den lebhaften Austausch zwischen Yuuki und Impmon lebhaft vorstellen. FunBeemon kicherte. Einige Dinge an ihnen hatten sich seit ihrer ersten Begegnung nicht verändert.

„Denkst du also darüber nach, den Gegner herauszufordern, gegen den Yuuki verloren hat, Winnie?“

„Jepp. Das ist der Plan.“

FunBeemons Augen funkelten bei Winrs Antwort.

„Willst du sie rächen?“

“Absolut nicht.”

FunBeemon blinzelt überrascht über Winrs schnelle Antwort.

„Ach wirklich? Ich dachte, du wolltest dich für sie rächen.“

„Ich beteilige mich nicht an solch sinnlosen Aktionen.“, sagte Winr.

Selbst wenn er den Gegner besiegen würde, würde sich Yuuki dadurch nicht besser fühlen. In gewisser Weise sind Kartenspiele ein Kampf mit sich selbst. Da der Gegner außerdem ein NPC ist, der wiederholt herausgefordert werden kann, wäre es der beste Weg, ein Erfolgserlebnis zu erlangen, wenn man ihn mit seinem eigenen Deck und seiner eigenen Strategie bezwingt.

„Aber,“ fügte Winr hinzu, „wenn es ein Gegner ist, der Yuuki besiegt, ist das meiner Meinung nach eine gute Gelegenheit. Mir gefällt die Vorstellung nicht, dass sie immer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht… Und ich möchte auch mein neues Deck testen.“

Mit diesen Worten navigiert er durch sein D-Storage an seiner Hüfte und öffnet seine Bibliothek. Im vergangenen Jahr konnte er dank des beträchtlichen Taschengeldes, welches ihm seine eher zurückhaltenden Eltern nachlässig gegeben hatten, eine beeindruckende Kartensammlung aufbauen.

Dennoch stechen innerhalb dieser Sammlung einige Karten deutlich hervor. Als FunBeemon sie sieht, leuchten seine Augen.

„Ah, das sind die neuen Karten, nicht wahr?“

Kurz nachdem Winr und FunBeemon von den seltsamen Karten gehört hatten, die Yuuki und ihr Partner erworben hatten, befanden sie sich auf einer Routinemission, bei der sie abtrünnige NPCs überwältigten, und Winr erhielt eine seltsame Benachrichtigung auf seinem D-Storage.

[Du hast einen Fähigkeitsgegenstand für eine Tamer-Karte erhalten.]

Es war derselbe plötzliche Erwerb eines Gegenstands, von dem Yuuki ihnen erzählt hatte.   Obwohl er davon gehört hatte, war es verwirrend, es selbst zu erleben.

Als Mitglied des Debug-Teams hatte er natürlich die Pflicht, Nachforschungen anzustellen. Als Spieler wurde Winrs Interesse jedoch durch den ungewöhnlichen Text des Gegenstands geweckt.

[Main: Indem du diesen Tamer erschöpfst, digitiere 1 deiner Digimon in eine aufgedeckte Digimon-Karte in deinem Securitystapel. Wenn durch dieser Effekt digitiert wurde, kannst du 1 Digimon-Karte mit dem Merkmal [Royal Base] von deiner Hand verdeckt oben auf deinen Securitystapel legen.]

Dies könnte die von Winrs Deck angewandte Strategie stärken – eine Strategie, die selbst innerhalb des Debug-Teams als ungewöhnlich galt.

Karten werden offen in den Securitystapel gelegt. Als er Yuuki zum ersten Mal sein Deck vorführte, erinnerte er sich, dass sie verwirrt blinzelte.

Der Securitystapel besteht aus verdeckten Karten. Diese dient als Verteidigungsbarriere, die den Spieler schützt. Wenn man angegriffen wird, obwohl sich keine Karten im Securitystapel befinden, verliert man das Spiel.

Einige Karten haben Effekte, die beim Aufdecken vom Securitystapel aktiviert werden und beeinflussen, wie und wann man angreifen soll. Dies sind entscheidende Taktiken im Digimon-Kartenspiel.

Aber im Normalfall ist es das. Es sollte keinen Grund geben, Karten offen auf den Securitystapel zu legen.

Für die Digimon der „Royal Base“ wie FunBeemon, ist der Securitystapel jedoch mehr als nur ein Schutzschild.

„Hm? Was ist los?“

FunBeemon kam näher und blickt mit großen Augen auf Winrs Gerät.

„Winnie, diese Karte… Da steht ‚Royal Base‘!“

„Ja, wenn dieses Phänomen das Gleiche ist wie das, was Yuuki erwähnt hat…“

Winr unterbricht FunBeemon und öffnet seine Kartenliste.

Wie erwartet, wurden unbekannte Karten hinzugefügt.

Beim Überprüfen des Effektabschnitts bemerkten sie auch Text bezüglich aufgedeckter Karten, die im Securitystapel platziert wurden.

“Kann das sein…”

Winr starrt aufmerksam auf die neuen Karten, als wolle er mit ihnen kommunizieren und sie besser verstehen.

„Ah, ich verstehe“, murmelt er.

FunBeemon schaut auf und ist gespannt, seine Gedanken zu hören.

„Winnie?“

„FunBeemon, ich habe tolle Neuigkeiten. Dank dieser Karten ist unsere Strategie vollendet. Ein Bienenstock braucht einen Anführer. Es ist so offensichtlich, dass ich mich frage, warum ich es nicht schon früher gesehen habe.“ Winr ganz nachdenklich, dreht sich zu FunBeemon um. „FunBeemon, würdest du die ‚Queen‘ unserer ‚Royal Base‘ werden?“

Einen Bienenstock bauen…

Zurück an der Smaragdküste seufzt Winr, als er das brandneue Deck betrachtet, welches er im Gespräch mit FunBeemon zusammengestellt hat. FunBeemon spürt die Veränderung in seinem Gesichtsausdruck und blickt ihm ins Gesicht.

„Was ist los, Winnie? Bist du nervös vor dem Kampf?“

„Überhaupt nicht. Ich habe das Hauptszenario als Testgelände gewählt, um sicherzustellen, dass es keinen Grund für Angst gibt“, murmelt er. „Aber dennoch“, fährt er fort, „sind dieses Deck und die Strategie, von der du gesprochen hast, alle neu. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was passieren wird. Es wäre eine ziemliche Enttäuschung, wenn sich herausstellen würde, dass die Karten, die seltsamerweise auftauchten, nicht so stark wären, oder?“

„Hmm…“ Als FunBeemon seinen Gesichtsausdruck aufmerksam beobachtet, hellte sich sein Gesicht plötzlich auf. „Ich verstehe. Winnie, du bist wirklich zuversichtlich, was dieses Deck betrifft!“

„Äh?“

Von den unerwarteten Worten seines Partners überrascht, weiten sich Winrs Augen. Er blinzelt, während sein Gesicht eine seltene, kindliche Unschuld zeigt.

„Weil es dein Meisterwerk ist, machst du dir Sorgen, ob es funktionieren wird und du bist nervös und begierig darauf, alles zu geben. Es macht mich glücklich, dich so begeistert vor dem Deck zu sehen, das wir gemeinsam gebaut haben.“

„…FunBeemon.“

„Aber wenn du dir weiterhin Sorgen machst, gewinnst du vielleicht nicht. Du bist immer so ruhig und gefasst, Winnie. Das macht dich so stark, also gibt es wirklich keinen Grund zur Sorge.“

Damit summt FunBeemon näher und blickt Winr direkt ins Gesicht.

„Also bleib der Stärkste, Winnie. Du bist der ‚Stratege‘ unserer königlichen Basis!“

“Stratege…”

Der Titel klang ganz gut. Winr dachte darüber nach und rückte seine Brille zurecht.

„Verstanden. Danke, FunBeemon. Mir geht es jetzt besser.“

Er hebt wieder den Kopf und blickt nach vorn. Beim Gehen verändert sich die Landschaft um ihn herum. Vor ihm erstreckt sich ein üppiger, lebendiger Dschungel, übersät mit Pyramiden und Steinstrukturen, die an antike Ruinen Mittelamerikas erinnern.

Im Regenwald wimmelt es nur so von Leben, anders als alles, was man kurz zuvor gesehen hat. Das pulsierende Leben und der Lärm der Kreaturen im Dschungel fühlten sich unglaublich real an, aber er hörte den Lärm nicht mehr.

Sein Fokus liegt ausschließlich auf dem vor ihm stehenden NPC und der bevorstehenden Schlacht.

„Das Spiel beginnt jetzt. Lasst uns gemeinsam einen unschlagbaren Bienenstock aufbauen.“ „Überlass es mir, Winnie!“

Während er mit seinem Partner ein paar Worte austauscht, legt Winr seine Hand auf den D-Storage.

Fortsetzung folgt.

Übersetzung: Tsuki
Edit:Shin